Neue R2-Serie: Eine "Femme Fatale" im R2-Gebiet

Eine koreanisch-französische Mutterliebe

Von Tiphaine Bernicot für R2-Blogger

Foto: (c) Nevitdilmen, Lizenz

Ein neuer Mensch ist auf die Erde gekommen. Über ihre Muttergefühle und ihre Beziehung zu ihrer Mutter schreibt die Femme Fatale Tiphaine Bernicot.

Dortmund/Paris. Die ersten Worte, die ich mit meiner Mutter austauschte, konnte sie nicht verstehen. Wir sprachen einfach zwei verschiedene Sprachen. Klar, denkt Ihr alle, wer versteht schon einen Säugling? Und kann man das „sprechen“ nennen, das ganze Gelalle und Geblubbere? Aber als ich meine Eltern zum ersten Mal sah, war ich kein winziges, glitschiges, blutiges Etwas, sondern ein von einem sehr langen Flug übermüdetes, verängstigtes und vollgesch…. kleines Mädchen. Ich war nämlich bereits 14 Monate alt und kam aus Korea.

Direktflug aus Südkorea

Direktflug, etwa zehn Stunden, anscheinend ohne Wickelkommode… Es nennt sich Adoption. Nach einem Bad und einem leckeren Essen fing ich an zu sprechen und erzählte: „Omma, Appa“, oder so was ähnliches. Meine Eltern verstanden nichts… Sie konnten kein Koreanisch. Es bedeutet Mama und Papa, soweit ich weiß (vielleicht sollte ich unser Korean Girl fragen!)

Heute hat sich nicht viel geändert: Ich erzähle was und sie versteht mich nicht, obwohl wir mittlerweile die gleiche Sprache sprechen, aber sie versteht mich einfach nicht! Und so habe ich einfach aufgehört, mit ihr zu reden. Es bleiben mir viele Streitigkeiten und Unannehmlichkeiten erspart und ich brauche mir auch keine Gedanken über Geschenke am Muttertag zu machen!

Ja, es ist bald Muttertag: Am 12. Mai in Deutschland (und am 26. Mai in Frankreich) müsst Ihr alle an die Frau denken, die Euch das Leben geschenkt hat!!

Jemanden das Leben schenken - was heißt das eigentlich?

Aber was heißt das: „Jemandem das Leben schenken“? Soll das bedeuten, dass ich, Rößler und alle anderen Adoptiv- und Pflegekinder von dieser Pflichtveranstaltung befreit sind? Meine Mutter, auch wenn wir heute nicht mehr miteinander sprechen, hat nicht das gemacht, was man üblicherweise unter „jemandem das Leben schenken“ versteht: ein Paar Kerzen, ein paar Minuten Vergnügen (wenn man mag, mehr...), gefolgt von plus/minus 40 Wochen Quälerei (Gewichtzunahme, Fressattacken, Schnappatmung, Entengang, und, und, und…), um dann in schmerzvollen Stunden „einem Kind das Leben zu schenken“.

Nein, sie hat mich am Flughafen Charles de Gaulle abgeholt, kam mit einer Stunde Verspätung (Ja, sie hat ihre eigene „Entbindung“ verpennt…) und hatte nicht mal eine Flasche Wasser dabei (man erzählt sich immer wieder gern die Geschichte von der kleinen Tiphaine, die im Auto saß, natürlich ohne Kindersitz, das gab´s damals noch nicht, und an den Fensterscheiben geleckt hat, so durstig war sie… Armes Kind… Es fing schon gut an…). Es klingt eigentlich ganz einfach, aber ich glaube, so war´s nicht.

Ich hatte bei jedem meiner drei Kinder mehr oder weniger 40 Wochen Zeit gehabt, mich daran zu gewöhnen, ich habe sie alle drei gespürt, Ultraschallbilder gesehen, Herztönen gelauscht, mit ihnen geredet, für sie gesungen, sie durch die Bauchdecke gestreichelt. Ich habe sie genährt, durfte dann auch zunehmen und es wurde sogar von meinem Frauenarzt begrüßt, natürlich nicht in Übermaß, aber es war ein Zeichen dafür, dass das Kind wuchs.

Mein "Fleisch und Blut"

Als ich dann zum ersten Mal in meinem Leben mein Kind in meinen Armen halten durfte, empfand ich eine… Ich kann es gar nicht mal in Worte fassen. Es war ganz einfach unglaublich, ER war einfach unglaublich! Und ich verlor mich dann stundenlang in der Betrachtung dieses kleinen Wesens, meines Sohnes, meines „Fleisch und Blut“. Ja, mein „Fleisch und Blut“, dachte ich voller Stolz!

Und dann musste ich an meine Mutter denken, ich war nicht ihr „Fleisch und Blut“. Hast Du mich trotzdem so bedienungslos geliebt, wie ich mein Kind liebe? Wenn ich mein Kind anguckte, sang mein Herz im Takt seinen Atemzügen, tat Dein Herz es genauso, wenn Du mich ansahst? Diese zarte Saite, die mein Kind und mich unsichtbar für die Ewigkeit verbindet und die bei jedem seiner Tritte im Mutterleib gewebt wurde, hast Du sie auch bei jeder meiner Tränen zittern gehört, wie ich es bei meinem Kind höre?

Uns fehlen die ersten 14 Monate meines Lebens. Du warst nicht dabei, als ich laufen lernte, Du warst nicht dabei, als ich zum ersten Mal lachte, Du konntest mir nicht meine ersten Worte beibringen.

War das Mutterliebe?

Wir haben uns am Wegesrand kennengelernt und ich durfte ab dann an Deiner Seite weiter wachsen. Ab dann hast Du über meine fiebrigen Nächte gewacht, Du hast mir beigebracht, wie man eine Schleife bindet, Du hast Dich mit mir unter der Bettdecke versteckt und eine Welt für mich erfunden, wenn ich von Angst geplagt war. Du hast mir meinen ersten BH gekauft, meinen ersten Freund beschimpft, Du hast mir deutlich gesagt, wie bescheuert Du die Idee findest, dass ich mein Leben in Deutschland weiterführen wollte, weit weg von Dir. Du hast mir Möglichkeiten gezeigt und mir Wege versperrt.

Ist das, was Du für mich getan hast, was man „das Leben schenken“ nennt? War das Mutterliebe? Die Frage wirst Du nicht beantworten können und ich auch nicht. Schließlich reden wir nicht mehr miteinander. Und auch wenn... Du würdest dies hier nicht verstehen.

Wir sprechen jetzt wieder zwei verschiedene Sprachen.

               

Aus Paris in das zauberhafte Ruhrgebiet

Tiphaine Bernicot (Foto) ist Französin mit asiatischen Wurzeln. Die es allerdings bereits vor etlichen Jahren nach Deutschland, genauer gesagt in R2-Gebiet, verschlagen hat. Hier lebt die junge Frau mit ihrem deutschen Ehemann und ihren Kindern und berichtet als die neue R2-Kolumnistin über ihr Leben als „Femme Fatale". Und zeigt uns die Unterschiede zwischen deutscher und französischer Lebensart, zwischen Paris und Dortmund, zwischen Labello und Lippenstift.

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Kommentare  

 
+1 #2 femme fatale 2013-05-10 20:52
Hallo. Es freut mich zu lesen, dass du deinen weg gefunden hast. Mir geht es, wie es jetzt ist, seh gut. Auch wenn ich oft an meine Mutter denke, bin ich dennoch froh, mein Leben ohne sie weiter zu gehen. Es würde mich freuen, dich weiter als treue Leser zu behalten,es wird sicherlich wieder irgendwann Thema meiner Kolumne sein!!
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+1 #1 anotherAdopotee 2013-05-04 15:57
Hallo,
ich kann es nachfühlen was du schreibst. Ich bin selbst Adoptivkind und bin mit 1 Jahr hier hergekommen. Ich weiß allerdings noch weniger als du wie es genau war. Jedenfalls hatte ich eine sehr liebende Adoptivmutter (sie ist dann aber früh gestorben). Mit meinen Adoptivvater habe ich mittlerweile arrangiert, aber hatte große Probleme mit ihm.

Ich finde die Menschen sind zu naiv was Adoption anbelangt. Vordergründig wird nur geschaut ja die adoptivfamlilie kann es ernähren und pflegen. Aber die Psyche oder seelische wurde vergessen und so kam es zu vielen Problemen.

Finde es traurig das du nicht mehr mit der Adoptivmutter redest, hoffe das ihr irgendwann wieder zusammenfindet.
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