Saxo-Thuringia: Eine Studentenverbindung in Bochum

Vom Generationenvertrag, „ordentlicher“ Kleidung und einem zweiten Zuhause

Von Sun-Mi Jung für R2-Mein Leben

Foto: Saxo-Thuringia

Hässliche Verbindungsbrüder? Tumbe Bierhumpenschwinger sehen anders aus. Zudem ist die Saxo-Thuringia, wie alle katholischen Verbindungen, keine schlagende - Mensurschmisse und ähnliches gibt es nicht.

Bochum. Christoph Tjardes (23 Jahre), Philipp Wirkotsch (27 Jahre) und Ulf Bössmann-Hermann (25 Jahre) studieren an der Ruhr-Universität Bochum und sind Mitglied der katholischen Studentenverbindung Saxo-Thuringia. Die drei jungen Männer empfangen den R2-Horizont im eleganten Verbindungshaus am Bochumer Stadtpark. Der Veranstaltungsraum ist riesengroß, schwere lange Tische und Stühle erinnern an einen alten Rittersaal, die Bar in der Ecke deutet auf fröhliche Geselligkeit hin während die hohen Fenster den Blick auf einen Garten freigeben. Hier versammeln sich häufiger große Runden.

Die drei Studenten tragen alle ein Shirt mit Kragen und das Band in den Verbindungsfarben schwarz-weiß-grün. Schließlich sind wir in den Räumlichkeiten der Verbindung und treffen uns zu einem offiziellen Termin. „Zu den Veranstaltungen auf dem Haus und auch in anderen Verbindungshäusern tragen wir das Band immer“, erklären sie. Das Hemd mit dem Kragen gehört ebenfalls zum Dresscode. Verlassen sie das Haus mit Band, wird zusätzlich zumindest ein Jackett übergeworfen. (Kleider-) Ordnung muss sein!

Bochum als anonyme Massenuni: Das Tragen der Farben stiftet Gemeinschaft

Das gemeinsame Tragen der Farben ist aber natürlich nur ein Merkmal. Und ein äußerliches dazu. Viel wichtiger sind der Verbindung die inneren Werte, die möglichst alle Mitglieder teilen sollten: Freundschaft, persönliche Bindung, Gemeinschaft, Zusammenhalt sind die Ziele – und zwar ein Leben lang. „Wir sind hier in Bochum an einer anonymen Massenuni mit einem hohen Pendleranteil“, erklärt Jurastudent Christoph. Freundschaften zu schließen und vor allem zu pflegen sei da nicht so einfach. In der Verbindung fand Christoph jedoch Menschen, die die gleichen Interessen teilen, Verständnis füreinander haben und ihm eine Gemeinschaft bieten. Ein zweites Zuhause.

Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die alte Villa aus dem letzten Jahrhundert bietet acht Studenten eine Bleibe. Hier dürfen auch Nichtmitglieder wohnen, insofern unterscheidet sich dieses Wohnheim nicht von den anderen. Das ist dann allerdings auch die einzige Gemeinsamkeit: eine großzügige Eingangshalle, der Veranstaltungsraum mit Bar, ein Partykeller, ein Fernsehraum, ein großer Garten, Kabelfernsehen, Internet und eine Putzfrau gehören zur Ausstattung. Für 157 bis 187 Euro Warmmiete im Monat darf man einziehen, als Nicht-Verbindungsstudent sollte man aber dennoch am Leben im Haus teilnehmen und Interesse zeigen. Was den meisten jungen Männern aber nicht schwerfallen dürfte angesichts des großen Angebots an gemeinsamen Unternehmungen.

Neben dem akademischen Leben kann man jede Menge Spaß haben

Denn neben vielen Veranstaltungen, die der Bildung und der Kultur dienen (schließlich handelt es sich um Studenten und das akademische Leben steht in der Verbindung im Mittelpunkt), kann man mit der Saxo-Thuringia natürlich auch jede Menge Spaß haben: Vom Klettern, übers Kanu fahren bis zum Tontauben schießen oder zum Slotcar-Rennen auf der Carrera-Bahn ist für jeden sportlich begeisterten jungen Mann etwas dabei. Im Mittelpunkt stehen aber letztlich die offiziellen Veranstaltungen der Verbindung. Da sind die sogenannten Kneipen, die feierlich-rituellen Versammlungen der Studentenverbindung, die nach festen Regeln ablaufen und zu denen Reden gehalten, Lieder gesungen und Bier getrunken wird.

Nur das studentische Fechten findet hier nicht statt. Saxo-Thuringia ist keine sogenannte schlagende Verbindung, wie übrigens die Mehrzahl der deutschen Verbindungen. Alle katholischen deutschen Verbindungen, zu denen auch Saxo-Thuringia gehört, verzichten auf das akademische Fechten, welches von schlagenden Verbindungen zur Persönlichkeitsentwicklung praktiziert wird.

Oder die Stiftungsfeste, die im Sommer gefeiert werden. Das 90. feiert die Verbindung im Jahr 2010. Denn gegründet wurde die Verbindung am 6.1.1920 in Dresden an der „Technischen und Tierärztlichen Hochschule“. Seit dem Wintersemester 1967 hat die Verbindung ihren Sitz in Bochum. Aber die jungen Männer können nicht nur hochoffiziell, sondern auch privat feiern. Die Parties im Verbindungshaus finden auch bei externen Gästen großen Anklang.

Die Verbindung ist für die Studenten jedoch sehr viel mehr als fröhliches Feiern und geselliges Beisammensein: „Man hält zusammen“, meinen die drei jungen Männer einstimmig. Und zwar eben nicht nur innerhalb einer Altersgruppe, sondern auch zwischen den Generationen. „Es ist einfach cool, neben einem Prof an der Theke zu stehen, ihn zu duzen und ganz normal mit ihm zu sprechen“, findet Philipp, der Wirtschaftswissenschaften studiert hat. „Oder den 80-jährigen, ehemaligen Richter am Klavier sitzen zu sehen und ihm beim Spielen zuzuhören.“

Die "Alten Herren" finanzieren die Verbindung eigentlich - und bieten das Netzwerk

„Alte Herren“ nennt man diese Verbindungsbrüder, die das Studium beendet haben und der Vereinigung dennoch erhalten bleiben. In der Regel ein Leben lang. 175 gibt es derzeit in ganz Deutschland. Mit ihren Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzieren sie das Verbindungshaus oder auch die Reisen der Saxo-Thuringia. Die jungen Studenten leisten hingegen viel kleinere Beiträge. „Auf diese Weise könnten wir das Haus nicht halten“, erklärt Ulf. Dafür bringen sich die derzeit rund 20 Studenten mit ihrem Engagement ein und halten das Verbindungsleben aufrecht. Ein Generationenvertrag – jeder gibt, was er kann. Daneben stellen die alten Herren natürlich auch ihr Netzwerk zur Verfügung. Da wird für die Studenten auch schon mal ein Praktikum auf Vorstandsebene möglich.

Überhaupt bietet die Verbindung den jungen Menschen viele Trainings- und Entwicklungs-möglichkeiten. „So eine Semesterkalkulation umfasst schon mal zehn Seiten“, erzählt Ulf. Die vielen Veranstaltungen müssen geplant, organisiert und durchgeführt werden. „Das ist wie eine kleine Firma“, so der Wirtschaftswissenschaften-Student. Management, Führungsqualitäten und die so oft beschworenen „Soft Skills“ werden durch das Engagement in der Verbindung trainiert. Ganz automatisch.

Kriterien: Männlich, katholisch, immatrikuliert in Bochum - und Demokrat

Wer aufgenommen werden will, muss natürlich ein paar Kriterien erfüllen. Zunächst ist da das Geschlecht: männlich. Dann muss der Anwärter in Bochum studieren. Katholisch sein. Und, ganz wichtig, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen. Auch wenn die Verbindung gänzlich unpolitisch ist. Aber vor allem muss „die Chemie stimmen.“ Ob das so ist, finden beide Seiten, der Anwärter und die Verbindung, während der sogenannten Fuxenzeit heraus. Ein Jahr lang dauert die „Probezeit“, anschließend zählt man zwei bis drei Semester zu den Aktiven und leistet Vorstandsarbeit, danach wird man „inaktiv“. Schließlich, nach Beendigung des Studiums, gehört man zu den „alten Herren“. Und erinnert sich an ein Leben lang an eine tolle Zeit mit der Verbindung. An Vorträge und Museumsbesuche, an Grillabende und Cocktailparties, an Kneipen und Stiftungsfeste. Und irgendwann sitzt man vielleicht mit 80 Jahren am Klavier im Verbindungshaus und spielt dem Nachwuchs vor….

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