Dr. Hans-Gerd Koch: Blick in die Wuppertaler Kafka-Forschungsstelle

„Keine Manie, über Petitessen zu schreiben“

Von Peter Joerdell für R2-Bildungsbürger

Foto: Joerdell

Ein Job, den man nur als Bibliophiler über Jahrzehnte machen kann: Hans-Gerd Koch in den Räumen der Kafka-Edition in Wuppertal.

Wuppertal. Seit fast 30 Jahren betreut Hans-Gerd Koch, einer der führenden Kafka-Forscher, die kritische Werkausgabe des S. Fischer Verlags. Die bringt er nun als „letzter Mohikaner“ zu Ende – ohne Drittmittelförderung, auf eigene Faust. Die Uni Wuppertal stellt nach wie vor Räume, im Wicküler Park, einem Einkaufszentrum zwischen Elberfeld und Barmen, benannt nach einer Biermarke. Der R2-Bildungsbürger hat Dr. Koch dort besucht und ihm Fragen nach der Edition, Kafka und einem Leben nach seinem „opus magnum“ gestellt.

R2: Wie wird man Deutschlands oder gar Europas (DIE ZEIT) wichtigster Kafka-Experte?

Dr. Hans-Gerd Koch: Normalerweise korrigiere ich das sofort – warum sollte man da so enge Grenzen setzen? (lacht) Zu Kafka bin ich eigentlich zufällig gekommen, jedenfalls nicht, weil ich ein Kafka-Faible hatte. Ich habe als Studentische Hilfskraft angefangen in der Kafka-Edition zu arbeiten, war nach dem Studium erst einmal im Schuldienst. Dann bekam ich eine Nachricht: Der Redaktionsleiter der Edition hörte auf, er hatte eine Professur in Italien angenommen. Ich wurde gefragt, ob ich das machen wollte. Ich sagte zu, denn ich sah darin eine gute Möglichkeit für eine Promotion und dafür, eine begrenzte Zeit in der Forschung zu arbeiten. So hat es sich ergeben. Dann zog sich die Editionsarbeit länger hin, als geplant, die anderen Herausgeber wurden alt, manche sind inzwischen verstorben, so blieb ich als Letzter übrig. Als ich einmal mit dem Gedanken ans Aufhören spielte, war man seitens des Verlags und der Hochschule ganz entsetzt: Dann bliebe ja die kritische Ausgabe unvollendet. Und so blieb ich.

R2: Generationen von Schülern haben unter seinem Werk geächzt, nun fragen wir Sie. Hand aufs Herz – geht Ihnen Kafka nicht manchmal auf die Nerven, Dr. Koch?

Koch: Eigentlich nicht. Ich war ja kein Fan, habe Distanz bewahrt und nie eine solche Verbissenheit entwickelt wie manch anderer oder pseudo-religiösen Weihe-Gedanken nachgehangen. Das hat auch den Vorteil, dass ich immer noch etwas Neues entdecken kann. Mein Blick auf Kafka ist nicht so verstellt, dass er nur auf ein Bild beschränkt wäre. Er geht mir also nicht auf den Wecker.
Entdeckungen habe ich auf verschiedenen Ebenen gemacht: Kafka in vorgelesener Form etwa. Ich habe den Roman Der Verschollene bearbeitet, den Heizer in den Tagebüchern ediert, anhand der Handschrift durchgearbeitet und Jahre später dann Lesungen mit Mechthild Großmann veranstaltet. Bei einer Lesung hörte ich plötzlich Sachen, die ich nie zuvor bemerkt hatte. Wie Kafka mit der Spannung des Lesers spielt, mit Suspense arbeitet wie Hitchcock. Er bricht kurz vor dem Höhepunkt ab, beschreibt auf einmal das Leben draußen vor dem Fenster. Das war mir mit der Intensität vorher nicht klar, erst über das laut gelesene Wort wurde mir deutlich, wie Kafka mit Sprüngen im Aufbau Spannung erzeugt. Durchs Vorlesen bekommen seine Texte eine ganz eigene Qualität.
Ich bewahre mir solche Entdeckungen und glaube nicht, alles über Kafka zu wissen. Selbst wenn man mit einem biographischen Ansatz arbeitet, sollte man sich davor hüten. Das ist ein Irrglaube. Was man weiß, ist immer nur ein Bruchteil der Wahrheit. Selbst autobiographische Äußerungen können fiktionalen Charakter haben. Beispielsweise Kafkas Briefe: Was davon ist wahr? Das kann davon abhängen, wem er geschrieben hat und zu welchem Zweck. Das beste Beispiel ist doch seine erste Verlobte: Er hat sich mit ihr sehr intensiv geschrieben, zeitweilig mehrere lange Briefe am Tag. Das war wie ein virtueller Raum, den die beiden sich aufgebaut haben, in dem sie sich trafen. Wenn es dann zur realen, persönlichen Begegnung kam, wusste Kafka oft nicht, worüber er mit ihr sprechen sollte.

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