Atelierbesuch bei Künstler Dirk Balke in Düsseldorf

"Künstler sind die Mystiker des 21. Jahrhunderts"

Von Peter Joerdell für R2-Bildungsbürger

Foto: Balke

Der Hirsch, Chiffre in vielen Gemälden Balkes, taucht in verfremdeter Form auch als Plastik auf. Vorn: "Indianer-Junge" und "Igel".

Düsseldorf. Gemalt hat Dirk Balke schon immer, den ersten Ölmalkasten bekam er mit Acht. Er blieb dem Medium treu. „Ich war kein guter Schüler“, gesteht Balke grinsend, zwischen Farbtuben und Bechern voller Pinsel am Tisch in seinem rustikalen Atelier sitzend. Mit 15 begann er die Lehre als Schauwerbegestalter. „Kunst studieren stand nicht zur Debatte.“ Über 20 Jahre war er Schauwerbegestalter bei Peek & Cloppenburg, erklomm die Karriereleiter. Neben dem Beruf malte er stets. „Ab 2001 studierte ich neben dem Job Grafik und Malerei, um mich weiterzuentwickeln.“ Nach vier Jahren an der Privatakademie Rhein-Ruhr begann er konsequent seinen Weg als Künstler zu verfolgen, hatte in Essen sein erstes Atelier.
Dann kam der Schicksalsschlag. 2002 bekam sein Bruder die schreckliche Diagnose: Leberzirrhose. Balke spendete ihm eine halbe Leber: „In einer Situation, in der mein Beruf viel von mir verlangte und ich wirklich mit meiner Kunst weiterkommen wollte.“ Und der Job forderte auch seinen Tribut: P & C übertrug ihm neue Aufgaben in Wien. Bald wurde er Area Manager für ganz Südosteuropa auf, was eine Belastung, aber auch eine große Chance war. Vier Jahre lang lebte Balke zwischen Wien und dem Ruhrgebiet. „Wien ist eine fantastische Stadt, mit so vielen guten Museen.“ Zudem knüpfte der Maler dort internationale Kontakte. Besonders wertvoll sind bis heute seine Verbindungen nach Österreich, Tschechien und in die Slowakei, sowie zur international verstreuten Künstlergruppe „Die neuen Milben“, die er in Wien mitbegründete.

Wilhelm Tell: "Warum schießt einer mit der Armbrust auf sein Kind?"

Aber irgendwann zeichnete sich die Trennung von P & C ab. Nach „23 tollen Jahren“ wagte Balke 2009 den kompletten Neustart als Künstler. Mit Erfolg: Auch eigenen, schwierigen Lebensthemen stellt er sich nun konsequenter in seinem Schaffen. „Mein Bruder und die Organspende fließen auch stärker ein.“ Viele von Balkes neueren Arbeiten drehen sich um Verwundung, Treue und Aufrichtigkeit. Ein Künstler, der zunächst sehr abstrakt gearbeitet hat, zeigt nun auch ganz andere Seiten. Verbandsmull, Watte, Wundschnellverbände und Kompressen tauchen nicht nur gemalt sondern in Kollagen-artigen Arbeiten auch konkret auf.
„Außerdem habe ich viel über meine Vaterrolle nachgedacht. War ich selbst immer ein guter Vater?“ So wurde Wilhelm Tell zum Thema. „Mich hat die Frage nicht losgelassen, wie es sein kann, dass einer mit der Armbrust auf sein Kind schießt.“ Seine Kinder leben seit 2003 bei der Ex-Frau in den USA. Balkes Bemühen um das Sujet manifestiert sich in der Plastik „Gessler“, einer Art von Mullbinden umwickelter Mumie (darunter befindet sich, wie könnte es bei einem ehemaligen Dekorateur anders sein, eine Schaufensterfigur). Durchbohrt von einem Armbrustpfeil ruht auf ihrem Kopf ein Apfel. Seit etwa einem Jahr arbeitet Balke auch an Plastiken. So entstand auch der an einen Marterpfahl gefesselte Indianerjunge Winnetou, dessen verschämter Blick nach unten zustande kam, indem Balke die Haltung der Schaufensterfiguren unter den Bandagen radikal manipulierte.
Neben den Brüchen im eigenen Leben beschäftigen Balke auch die tektonischen Verschiebungen in der Gesellschaft. Heutzutage müsse jeder „ein ganz tolles Individuum sein“. Castingshows, Twitter, Web-Communities – die Menschheit ersticke in einer Kommunikationswolke, ohne sich übers Wesentliche zu verständigen. „Jeder will noch stehen können, daher halten sich alle im flachen Wasser auf. Schwimmen lernen nur noch wenige.“
Auf die weitere künstlerische Entwicklung Balkes darf man gespannt sein. Wo am Anfang noch reine Farbkompositionen im Vordergrund standen und es kein Werk mit Titel gab, schlichen sich im Laufe der Jahre mehr und mehr figürliche Chiffren ein (manche sogar immer wiederkehrend, etwa der Hirsch, der fast schon Balkes Markenzeichen geworden ist), entstanden Namen für Bilder. Bemerkenswert ist, dass die gegenständlichen, identifizierbaren Komponenten in Balkes Werk tatsächlich aus dem Nebel der seine Werke dominierenden Weißtöne „heraustraten“. Dirk Balke: „Ich habe regelrecht das Gefühl, dass sich das Gegenständliche in meinem Werk vom Abstrakten emanzipiert hat.“

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